Budapester Zeitung | Gothic-Szene

Schwarz ist keine Farbe – schwarz ist ein Lebensgefühl. Die selbst für das Budapester Stadtbild auffälligen, schwarz gewandeten Gestalten, die insbesondere am Wochenende in kleinen Gruppen zu sehen sind, zählen sich häufig selbst der Gothic-Szene zu. Zwar hat sich die Situation verbessert, aber immer noch begegnet man den Anhängern dieser Gruppe mit Skepsis.

Gleich zu Beginn ist festzuhalten: Das in Deutschland oft anzutreffende Vorurteil, alle die schwarz tragen, sind Anhänger des Satanismus ist erstens falsch und zweitens – erstaunlicherweise – im eher konservativen Ungarn kaum oder gar nicht verbreitet. Auch Gellért Szelevényi, genannt Gelka, Vorsitzender des Kulturvereins Me­mento Mori und  Betreiber der Internetseite Gothic.hu, bestätigt diesen Eindruck.

Vorurteile wurden abgebaut

Allgemein stellt er fest, dass die Gesellschaft früher wesentlich vorurteilsbeladener war: „Seit der Wen­de ist deutlich zu spüren, die Gesellschaft wird immer nachsichtiger und offener.“ Doch trotz dieser Offenheit und dem Fehlen der gedanklichen Verbindung zwischen Gothic und Satanismus sei das Umfeld bei weitem noch nicht so tolerant wie beispielsweise in Deutsch­land oder England.
Ein Grund hierfür mag im unterschiedlichen Beginn der Szene liegen. Die Ursprünge der Szene liegen in England. Dort entwickelte sich zum Ende der siebziger Jahre eine neue Musikrichtung – der Gothic-Rock. Mit Elementen des Post-Punk und düsteren, teils morbiden Texten wuchs sich diese schnell zu einer neuen subkulturellen Bewegung aus. Nur wenige Jah­re später, in den frühen Achtzigern, war die Bewegung schon nach Westdeutschland geschwappt. Ehe auch in der lustigsten Baracke des Ostblocks schwarz als neues Le­bens­gefühl ankam, bedurfte es noch einiger Jahre. Gelka erinnert sich: „Die ersten Zeichen der Szene waren etwa ab 1987 zu erkennen, aber wirklich los ging es als die Band The Cure 1989 in Budapest spielten.“ Die Band um Frontmann Robert Smith gilt bis heute als Wegbereiter und festen Größen der Gothic-Szene. Auch in Ungarn verhalf The Cure der sogenannten schwarzen Szene zu einer breiteren Bekanntheit.
Gelka erlebte den Anfang der Szene damals noch als Schüler in Sopron: „Wir haben Kassetten getauscht und kopiert“. Doch auch das Budapest nach der Wende für Weltstars der Szene wie The Mission, The Sisters of Mercy oder Christian Death zu einem festen Auftrittsort wurde, mag der schwarzen Gemeinschaft Auftrieb gegeben haben.
Die schwarze Szene hat in den vergangenen Jahren eine große Entwicklung durchlaufen. Gelka hat dazu maßgeblich beigetragen. „Seit etwa 15 Jahren veranstalte ich Partys für die Szene. Die Leute, die unsere Veranstaltungen besuchen, haben sich doch sehr verändert. Momentan sind es vor allem die Mittzwanziger die das Clubbild bestimmen, aber es gibt auch immer wieder neue Gesichter und Neu­linge in der Szene.“ Zu Konzerten von bekannteren Musikern fänden sich mitunter auch mehrere hundert Gäste zusammen.
Doch nicht nur der Altersschnitt habe sich verändert. Während in den Anfängen der Szene sich fast ausschließlich die dem Wave zugeordneten Künstler und ihre Fans zum Gothic-tum bekannten, ist der Begriff heute viel weiter gefasst. Heute fällt fast alles, was düstere Stimmung in sich trägt, unter Gothic. So werden auch Mittelalter-Fans, Anhänger der sogenannten Industrial-Musik oder selbst Vam­pir-Fans zu den Gothics gezählt. Zwar sind dies ganz unterschiedliche Strömungen mit unterschiedlichsten musikalischen Präferenzen und fast möchte man sagen Lebens­weisen, allerdings, und das kritisieren neben Gelka auch viele andere Kenner der Szene, „hat auch hier die Kommerzialisierung Ein­zug gehalten“. Fast wehmütig erinnert sich Gelka an die alten, Do-it-yourself-Zeiten zurück: „Die Szene wird immer interessanter für Fir­men, also insbesondere Beklei­dungs­hersteller und Firmen, die beispielsweise Vam­pir-Accessoires herstellen. Frü­her haben wir unsere Kleidung selbst genäht und verziert und uns alles, womit wir uns schmücken wollten, selbst gemacht.“

Musik und Kunst

Die Partys, die meist unter dem Namen „Batcave“ laufen, sind indes keineswegs Veranstaltungen mit Hang zur Trauerfeier. Immer wieder gibt es Live-Acts, „wobei ungarische Künstler leider stark unterrepräsentiert sind in dieser Szene“, bedauert Gelka. Doch auch internationale DJs der Szene kommen auf Ein­ladung Gelkas immer wieder gern nach Budapest.
Ein Grund hierfür mag die Vielfältigkeit der schwarzen Ge­meinschaft sein. „Vor etwa drei Jahren riefen wir den Verein Me­mento Mori ins Leben.“ Der Verein beschäftigt sich vorrangig mit der Organisation von Ausstellungen und Vortragsabenden. Dabei ist es nicht entscheidend, ob ein Künstler aus der schwarzen Szene kommt oder nicht. Wir stellen vor allem Künstler aus, die talentiert sind, aber sonst kaum bis gar keinen Raum bekommen, ihr Können zu zeigen.„ Kunst und Musik sind in der Gothic-Szene fast untrennbar miteinander verbunden. Dies ist auch für Gelka einer der Kernele­mente, warum er seit zwei Jahr­zehnten der Szene angehört und versucht, diese durch seinen Verein zu beleben. Bei den Veran­stal­tun­gen des Memento Mori ist jeder willkommen, der sich für wenig bekannte Künstler interessiert und einmal einen Blick auf die dunklere Seite der Budapester Subkulturen werfen will.

szerző: Elisabeth Katalin Grabow

forrás:

http://www.budapester.hu/2012/04/kunst-und-musik-fliesen-zusammen/


2013. 07. 31. - 11:37 | © szerzőség: Gelka